Welt-Yoga-Tag: Entspannung und Hilfe bei Erkrankungen
Zeit für Meditation: Am 21. Juni findet der Internationale Tag des Yoga statt. Seit rund 3.500 Jahren gibt es die entspannenden Bewegungs- und Meditationsübungen für Körper und Geist. Ursula Nischwitz, ehemalige Klinik-Managerin und Yoga-Expertin aus Nieder-Olm bei Mainz, beschreibt die Vorteile der traditionellen Techniken, die auch für Senioren und Patienten mit chronischen Erkrankungen geeignet sind. Auch für Schmerzpatienten sind die Übungen absolut empfehlenswert. „Yoga Praktizierende benötigen nachweislich viel weniger Schmerzmittel“, weiß die Expertin, die sich seit zehn Jahren Yoga in Theorie und Praxis widmet.

Gesundheit-360.de: Liebe Ursula, der Welt-Yoga-Tag rückt die ganzheitliche Wirkung von Yoga in den Fokus. Welche gesundheitlichen Vorteile sind wissenschaftlich am besten belegt – insbesondere im Hinblick auf Herz-Kreislauf-System, Muskulatur und Beweglichkeit?
UN: Yoga eignet sich für jedermann, denn Yoga bedeutet vor allem Atmen und Meditieren. Vor allem aber: Im Jetzt leben. Und atmen kann jeder. Die Bauchatmung reduziert sofort den Stresspegel, das heißt: Sie ist ein wunderbares Werkzeug für jeden, der es gerade braucht. Egal wo zum Beispiel: im Büro, Zuhause, Unterwegs in einer engen und lauten Umgebung…
Da wir alle viel zu viel sitzen, spielt die Beweglichkeit, mit zunehmendem Alter eine große Rolle. Man kennt kaum jemanden, der nicht sagt: „Ich habe Rücken”. Nachweislich stärkt Yoga unsere Muskulatur, mobilisiert unsere großen Gelenke wie Hüfte und Schultern, und es bewirkt eine Reduzierung der Schmerzen. Yoga Praktizierende benötigen nachweislich viel weniger Schmerzmittel.
Zahlreiche Studien betonen die stressreduzierende Wirkung von Yoga. Kannst du uns erklären, wie sich die regelmäßige Yoga-Praxis auf das autonome Nervensystem auswirkt – und warum das insbesondere bei stressbedingten Erkrankungen wie Bluthochdruck, Schlafstörungen oder Reizdarm relevant ist?
UN: Yoga reduziert Stress. Das passiert, da wir bei Ausübung unserer Yoga-Praxis den Parasympathikus, der ein Teil des autonomen Nervensystems ist, aktivieren. Durch diese Aktivierung werden in unserem Körper zahlreiche Mechanismen in Gang gesetzt.
Du kannst damit zum Beispiel auch etwas unternehmen gegen Verstopfung, Durchfall und Blähungen. Einfache Asanas wie Kindshaltung, Fersensitz, Katze-Kuh, Vorwärtsbeuge, Rückenschaukel und – herausfordernder – zum Beispiel die Asanas Kamel, Schulterbrücke unterstützen deine Darmgesundheit. Ich erwähne das hier so explizit, da unser Darm ebenso unsere Aufmerksamkeit verdient, wie die weniger mit Scham besetzten Organe.
In der Psychotherapie wird Yoga zunehmend als komplementäre Methode bei Angststörungen und Depressionen eingesetzt. Wo siehst du hier Potenziale – und gibt es bestimmte Yoga-Formen, die sich besonders eignen?
UN: Ja, Yoga ist zwar kein Ersatz für eine Psychotherapie, hat aber als begleitende Therapie Berechtigung, da nachweislich mittelschweren Angststörungen und Depressionen im Schweregrad reduziert werden können.
Generell eignen sich Yogaformen, die sich auf Entspannung und Atmung fokussieren. Ich selbst praktiziere Anusara Yoga. Hier werden Atemtechniken und Meditation gezielt eingesetzt, um den Geist zu beruhigen. In der Praxis werden alle Bewegungen mit dem Atem koordiniert. Anusara fördert die innere Balance, die innere Stabilität und das Wohlbefinden.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass Yoga ein hohes Potenzial als Begleittherapie hat. Die Lebensqualität wird gesteigert durch das Reduzieren von Schmerzen und Stress. Das Beste aber ist: Jeder, wirklich jeder, kann Yoga praktizieren, allein durch bewusstes Atmen.
Kritiker bemängeln, dass Yoga oft als Lifestyle-Trend vermarktet wird. Wie lässt sich der ursprüngliche gesundheitliche Kern des Yoga bewahren – und worauf sollten Interessierte bei der Auswahl eines seriösen Kurses achten?
UN: Trends kommen und gehen, aber nicht bei Yoga. Yoga gibt es seit rund 3.500 Jahren, hat sich stets entwickelt und bis in unsere Tage gehalten. Gerade in unserer schnelllebigen und alle Sinne überflutende Zeit, haben jetzt vielleicht mehr Menschen den Zugang zu einem traditionellen, ganzheitlichen und gleichzeitig vielseitigen Bewegungs- und Meditationsangebot gesucht und in Yoga gefunden. Yoga ist mehr als nur ein Trend, wenn man sich auf die Tiefe der Praxis einlässt und spürt, welche positiven Auswirkungen Yoga hat sobald Körper, Geist und Seele in Verbindung kommen.
Bei der Suche nach dem richtigen Yogaplatz für dich, achte auf einen ganzheitlichen Ansatz des Kurses, das heißt: die bewusste Verbindung von Asanas, Atemtechniken und Meditation sowie eine seriöse Lehrkraft mit fundierter Ausbildung.
Was würdest du Menschen empfehlen, die mit Yoga beginnen möchten, aber körperlich eingeschränkt sind – etwa aufgrund von chronischen Erkrankungen oder im höheren Alter? Gibt es sichere Einstiegsformen und spezifische therapeutische Ansätze?
UN: Entscheidend ist hier die individuelle Anpassung der Praxis. Habe ich die 75 Jahre oder 80 Jahre überschritten und stehe nicht mehr ganz so sicher, kann ich sehr gut mit Stuhl-Yoga beginnen. Habe ich eine chronische Erkrankung beginne ich mit sanften Übungen unter Anleitung einer erfahrenen Lehrperson. Restoratives Yoga und therapeutisch ausgerichtete Kurse eigenen sich ebenfalls sehr.
Grundsätzlich gilt auf deiner Matte, beziehungsweise auf deinem Stuhl: Mache das was möglich ist, Ehrgeiz ist hinderlich, Hilfsmittel immer erlaubt und Ruhepausen immer möglich. Es ist deine Yogapraxis, die sich dir anpasst. So wird es dir gelingen, in eine bewusste Verbindung mit deinem Körper, deiner Atmung, deinem Geist zu gehen – und du wirst von all den genannten Prozessen, die dadurch in Gang kommen, profitieren. Entscheidend ist: Einfach anfangen und Spaß haben!
Hintergrund:
Die Initiative für den Welt-Yoga-Tag geht auf den indischen Premierminister Narendra Modi zurück, der am 27. September 2014 vor der UN-Generalversammlung sprach und Yoga als einen wertvollen Beitrag zur Förderung von Gesundheit, Wohlbefinden und Harmonie betonte.
Bereits am 11. Dezember 2014 verabschiedete die UN-Generalversammlung mit 177 von 193 Mitgliedsstaaten eine entsprechende Resolution (A/RES/69/131), die den 21. Juni als International Day of Yoga festlegte. Der 21. Juni wurde bewusst gewählt, da es sich um den längsten Tag des Jahres auf der Nordhalbkugel handelt – ein symbolträchtiger Tag im Yoga-Kalender.